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Filmklassiker: Vertigo



»Glaubst du, dass eine Tote von einem lebenden Menschen Besitz ergreifen kann?«

John „Scotty“ Ferguson muss wegen seiner extremen Höhenangst den Polizeidienst in San Francisco quittieren. Für einen Freund wird er aber noch einmal aktiv und beschattet die mysteriöse Madeleine, in die er sich nach und nach verliebt. Als sie sich aber vor seinen Augen in den Tod stürzt, bricht für John eine Welt zusammen - bis er Jahre später Judy Barton kennenlernt, die der toten Madeleine zum Verwechseln ähnelt...


Bei seiner Erstaufführung noch zurückhaltend aufgenommen, zählt Alfred Hitchcocks Film heute nicht nur zu den wichtigsten Arbeiten des Meisterregisseurs, sondern wurde unter anderem im renommierten britischen Filmmagazin Sight & Sound von über 800 internationalen Filmkritikern zum besten Film aller Zeiten gekürt. Visuell und thematisch seiner Zeit um Jahre voraus ist Vertigo ein Film wie kein anderer, den man immer wieder neu entdecken und erleben kann.

Der Vertigo-Effekt
Hitchcock nutzte als wesentliches visuelles Element den heute als „Vertigo-Effekt“ bekannten Trick, um die Höhenangst seines Protagonisten darzustellen. Dabei fährt die Kamera auf Schienen, während das im Fokus stehende Objekt durch eine gegenläufige Brennweiten-Anpassung während der Fahrt in unveränderter Größe im Bild bleibt. So wird der Bildausschnitt des Hintergrunds entweder kleiner (bei der Wegfahrt und dem Reinzoomen) oder größer (beim Ranfahren und Rauszoomen). Der dabei entstehende unnatürliche, sogartige Effekt wurde von Hitchcock erstmals in Ich kämpfe um dich (1945) eingesetzt. Steven Spielberg nutzte den Effekt in Der weiße Hai (1975), François Truffaut in Fahrenheit 451 (1966) und Peter Jackson in der Der Herr der Ringe Trilogie (2001-2003). Als Erfinder des „Vertigo-Effekts“ gilt Irmin Roberts, der bei Vertigo als Second Unit Kameramann arbeitete.



»Ein Meisterwerk, dessen Bedeutung sich mit den Jahren erschließen wird. Er ist nicht nur der einzige große surrealistische Film, sondern auch das erste romantische Werk des 20. Jahrhunderts.« Guillermo Cabrera Infante

»Hitchcock’s supreme and most mysterious piece (as cinema and as an emblem of the art). Paranoia and obsession have never looked better.«
Marco Müller in Sight & Sound


Die Frau aus dem Reich der Toten

Kim Novak, Kind tschechischer Einwanderer und zunächst als Model tätig, wurde während eines Aufenthalts in Hollywood für den Film entdeckt. Ihre erste Rolle hatte die 1933 geborene Marilyn Pauline Novak 1954 in Die lockende Venus an der Seite von Jane Russell. Neben Jack Lemmon spielte sie im selben Jahr einen Monroe-ähnlichen Frauentyp in der Komödie Eine glückliche Scheidung, ehe sie im Jahr darauf mit der Hauptrolle im Drama Picknick ihren Durchbruch feiern konnte. Ebenfalls 1955 erhielt sie den Golden Globe als beste Nachwuchsdarstellerin.


Ihren bekanntesten Auftritt hatte sie zweifelsohne 1958 in Hitchcocks Vertigo, mit dessen Hauptdarsteller James Stewart sie im selben Jahr auch in der Fantasy-Komödie Meine Braut ist übersinnlich zu sehen war. Billy Wilders zynische Komödie Küss mich Dummkopf aus dem Jahr 1964 zählt heute zu ihren letzten großen Erfolgen. 1980 war sie noch einmal in einer kleineren Rolle in der Agatha-Christie-Verfilmung Mord im Spiegel zu sehen, Mike Figgis Todestraum von 1991 war ihr bis heute letzter Auftritt vor der Kamera. 1997 wurde ihr der Goldene Ehrenbär für ihr Lebenswerk auf der Berlinale verliehen.

Filmografie (Auswahl):
1953 Die lockende Venus 1954 Schachmatt 1954 Eine glückliche Scheidung 1955 Picknick 1955 Der Mann mit dem goldenen Arm 1956 Geliebt in alle Ewigkeit 1957 Pal Joey 1958 Vertigo 1958 Meine Frau ist übersinnlich 1959 Mitten in der Nacht 1960 Fremde, wenn wir uns begegnen 1962 Noch Zimmer frei 1964 Küss mich, Dummkopf 1965 Die amourösen Abenteuer der Moll Flanders 1968 Große Lüge Lylah Clare 1977 Der weiße Büffel 1978 Schöner Gigolo, armer Gigolo 1980 Mord im Spiegel 1986 Falcon Crest (TV-Serie) 1991 Todestraum



Film Facts

  • Das American Film Institute wählte den Film auf Platz 9 der besten Filme aller Zeiten, auf Platz 1 der besten Mysteryfilme aller Zeiten, auf Platz 12 der besten Filmmusiken aller Zeiten sowie auf Platz 18 der besten Thriller und der besten Liebesfilme aller Zeiten

  • Der Film wurde für zwei Oscars nominiert – für das Szenenbild und den Ton, Hitchcock zudem für den Directors Guild of America Award

  • Die Eröffnungssequenz von Saul Bass enthält die ersten Computergrafiken in einem Film

  • Für knapp 30 Jahre war der Film mit vier anderen Werken von Alfred Hitchcock nicht verfügbar und wurde so als einer der „Five Lost Hitchcocks“ berühmt. Die Rechte hatte der Regisseur selbst zurückgekauft und seiner Tochter vermacht. Erst 1984 wurden Vertigo, Der Mann, der zuviel wusste, Das Fenster zum Hof, Cocktail für eine Leiche sowie Immer Ärger mit Harry wieder veröffentlicht.

  • Für den finanziellen Misserfolg bei seiner Erstveröffentlichung machte Hitchcock James Stewart verantwortlich, der seiner Meinung nach „zu alt aussah“. Es war die letzte von insgesamt vier Zusammenarbeiten

  • Im Nachhinein sagte Hitchcock, dass Novak eine Fehlbesetzung gewesen sei

  • Farben und Lichtsetzung spielen eine enorm wichtige Rolle: Als Scotty Judy zum ersten Mal in Gestalt von Madeleine sieht, wird sie von einem verschwommenen, geisterhaft grünen Licht angestrahlt (die Reflektion des Neonschilds vor dem Fenster). Während Scotty die Geschichte von Madeleines Ahnen hört, wird es im Buchladen sehr dunkel – als er das Geschäft verlässt, wird es wieder hell.

  • Im Interview mit François Truffaut sagte Hitchcock über den Film: „Einfach ausgedrückt: ein Mann will ins Bett mit einer Frau, die tot ist.“



OT: Vertigo • USA 1958 • FSK 12 • 129 Minuten • Universal Pictures • Regie: Alfred Hitchcock • Drehbuch: Samuel A. Taylor, Alec Coppel, Maxwell Anderson • Musik: Bernard Herrmann • Kamera: Robert Burks • Schnitt: George Tomasini • Darsteller: James Stewart • Kim Novak • Barbara Bel Geddes • Tom Helmore • Raymond Bailey






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